Messer sind wieder da. Pünktlich zum zehnten Bandjubiläum markiert ihr viertes Album eine musikalische Rückkehr zu den Wurzeln, blickt aber dennoch in die Zukunft. Das ist kein Widerspruch, sondern eine künstlerische Strategie, die so vielschichtig ist wie der Albumtitel: No Future Days verweist zunächst auf CAN als Urväter einer eigenständigen deutschen Pop-Musik, ebenso darf man an den nihilistischen Kampfruf des Punks denken. Und doch werden solche Assoziationen zugleich negiert.
Messer
nämlich machen ihr eigenes Ding, das erheblich komplexer und tiefgehender
ausfällt als man auf den ersten Blick glauben könnte. Zum Beispiel das Cover,
auf dem erstmals die vier Musiker zu sehen sind: Es ist der clevere Verweis auf
eine surrealistische Fotografie Man Rays, die dieser von Marie-Berthe Aurenche,
Max Ernst, Lee Miller und sich selbst machte. Auch dort sehen wir: vier
gänzlich unterschiedliche Kunstschaffende, eng umschlungen zwischen herzlicher
Umarmung und Würgegriff.
Dokumentierte
der Vorgänger Jalousie von 2016 eine Band, die damals nicht genau
wusste, wie und in welche Richtung es mit ihr weitergehen würde, so entpuppt
sich No Future Days als ein Album, auf dem die durch Manuel Chittkas
Weggang wieder als Quartett spielenden Messer nun in klassischer
Bandkonstellation auf musikalische Reduktion setzen. Das hört und spürt man:
Der Sound ist deutlich kompakter und homogener als zuvor, die Stimme von Sänger
Hendrik Otremba bewegt sich nicht im Vordergrund, sondern integriert sich mehr
denn je in eine Klangwelt, die Bassist Pogo McCartney, Gitarrist Milek und
Drummer Philipp Wulf durch ihr dichtes Zusammenspiel hervorbringen.
So
etwa auf dem energetischen „Die Frau in den Dünen“, wo die Wire-artigen
Gitarren geradezu euphorisch vorwärtsdrängen, während Otrembas Stimme vor
diesem Wall-of-Sound eine kafkaeske Vision einer Welt aus Sand beschwört. Wie
ein Hohepriester der Rockmusik wirkt er auch auf dem herausragenden
„Tapetentür“, über dessen insistierenden Rhythmus Otremba mit prophetischem
Pathos über das unerbittliche Vergehen der Zeit singt.
Die
Reflexion von Zeit ist überhaupt eines der Kernthemen dieses faszinierenden
Albums. Es wimmelt in den Texten nur so von Häusern, Zimmern, Kellerlöchern,
Fenstern und dergleichen, denn unser Gedächtnis perspektiviert Erinnerungen
immer räumlich: „Vergangenheit, das sind ja nur verschiedene, nach einer
höheren Stereometrie ineinander verschachtelte Räume.“ (W.G. Sebald in Austerlitz)
Mustergültig
zeigt sich das im Opener „Das verrückte Haus“, dessen Text Otremba im Dialog
mit dem Bassisten Pogo geschrieben hat, der in dieser Zusammenarbeit einen
familiären Verlust verarbeitet: Sänger und Bassist führten ein Gespräch an
einem Fragebogen à la Pina Bausch, um zu einer unverbrauchten Motivwelt zu
finden. Eine kleine Topografie der Kindheit wird so in assoziativ verschränkten
Erinnerungsbildern evoziert, während die Drums dumpf wummern und die Gitarren
hell klirren. Ein Gang durch die Kindheit als Hausbesichtigung der Erinnerungsfragmente
schließlich zeigt auf: das Haus ist verschoben.
Erkennbar
an jener Schwellenzeit zwischen den 1970er- und 80er-Jahren inspiriert, in
welcher der britische Post-Punk den Dub und den Reggae umarmte, steht die
Produktion von „Anorak“ symptomatisch für die musikalische Entwicklung von
Messer. „Anorak“, bereits im Herbst 2019 als Vorabsingle samt B-Seite „Die
Furcht“ erschienen, zeigt deutlich auf, wie souverän sich die Band aus dem
großen Archiv der Poptradition bedient, ohne ihre im Verlauf der letzten Dekade
erarbeitete Vision eines selbständigen Sounds zu verraten.
No
Future Days zeigt in diesem Sinne eindringlich, wie wenig das alte Label
des Post Punk-Revivals, das sie vor vielen Jahren mit heraufbeschworen, noch
auf die Münsteraner passt. Ein offenkundiger Beweis hierfür ist „Tod in
Mexiko“, das durch die feine elektronische Produktion mit Synthesizer und
Vocoder besticht, und textlich subtil auf den österreichisch-jüdischen
Surrealisten Wolfgang Paalen anspielt, dessen Exil in Mexiko 1959 mit einem
Kopfschuss endete.
Erstmals
in der Bandgeschichte entstand die Musik dabei komplett vor den
anspielungsreichen, poetisch vielschichtigen Texten von Otremba, der mit seinem
aktuellen Roman Kachelbads Erbe im Literaturbetrieb Erfolge feiert.
Während der Sänger also noch schrieb, legten seine Mitstreiter in Münster neue
Klangfacetten frei, produzierten das Album unter der Regie von Bassist
McCartney im eigenen Studio selbst, was nun einen geweiteten Blick auf die
Klang- und Gefühlswelt der Gruppe Messer zulässt. So ist klar erkennbar, dass
das Album, wie Otremba erklärt, „mehr mit uns persönlich zu tun hat, als
frühere Platten, mehr auch ein Album über uns als Band ist.“
No
Future Days ist somit eine ideale Gelegenheit, Messer näher
kennenzulernen – oder eben eine erneute, beeindruckende Veränderung zu
beobachten.
Auf dem neuen Muff Potter Album “Bei aller Liebe”, ist Hendrik Otremba als Gastsänger zu hören. Der Titel des Songs “Hammerschläge, Hinterköpfe” ist übrigens seinem Roman “Kachelbads Erbe” entlehnt. Außerdem werden Messer im November zwei Shows von Muff Potter eröffnen: 11.11. Münster, Skaters Palace 12.11. Bremen, Schlachthof
Internet-Avatar-Konzert am 25. Februar und 3 Konzerte im Juni!
Die Band Messer freut sich sehr, am 25.2.22 ab 21 Uhr ein Avatar-Konzert in Zusammenarbeit mit Gloria Schulz und dem Center for Literature/Burg Hülshoff stattfinden lassen zu können. Zuschauen wie das Quartett als Avatare ein Konzert in einer extra dafür gestalteten Welt spielt können die Fans live via Mozilla Hubs am Bildschirm, oder auch mittendrin (begrenzte Platzzahl) über eine VR-Brille, wenn sieim Besitz einer solchen sind. Zugang über: https://www.burg-huelshoff.de/…/eroeffnungskonzert-messer Im Juni ist die Band dann wieder live zu sehen, alle Termine hier.
TOTO BELMONT & MESSER Neue Single “Tiefenrausch IIB”
“Tiefenrausch IIb” ist die zweite Single aus dem transbaltischen Kollaborationsalbum “No Future Dubs” von Toto Belmont und Messer. Im Vergleich zur ersten Single, “Versiegelter Dub II”, entfernt sich “Tiefenrausch IIb” ein Stück weiter vom klassischen Reggae-Riddim und sucht sowohl für seine düstere Wucht als auch für seine poppige Deepness viel eher Inspiration bei Sades Früh-90er-Album “Love Deluxe” oder bei Mad Professors „Mezzanine”-Dubs. Das Messer-Original „Tiefenrausch”, ein atmosphärischer Trip entlang Traum-, Erinnerungs- und fotografischen Bildern der eigenen Familie, behält seine Grundharmonien bei, entfaltet sich hier aber auf einem gleichermaßen zurückgelehnten wie peitschenden Groove. Die exklusive digitale B-Seite “Mexiko Air One” ist ein Nachtrag zum Albumtrack „Mexiko”: hier noch dubbiger, noch düsterer – ein Ausklang, der die Spannung darauf erhöht, was uns auf “No Future Dubs” erwartet.
„Versiegelter Dub II“ ist die erste Single aus dem Album „No Future Dubs“ (VÖ: 9.4.2021), den Interpretationen der deutschen Band Messer und ihres aktuellen Albums „No Future Days“ (erschienen im Februar 2020) durch den finnischen Produzenten und alten Freund der Gruppe Kimmo Saastamoinen alias Toto Belmont. Das Stück stellt eine Dekonstruktion und Neuzusammensetzung der Messer-Nummer „Versiegelte Zeit“ dar, welche hier aber einen Quantensprung macht und nun mit Majestätik und Wucht die Traditionslinien von Post-Punk, Dub und Techno kreuzt.
Die exklusive Digital-B-Seite „Tapetenhof“ ist deutlich ruhiger: Auf einem elegant pulsierenden Beat entfalten sich Momente des Songs „Tapetentür“ in neuer Atmosphäre. Man kann sich kaum eine passendere Musik zur Zeit vorstellen, in der die No Future Days weiterhin andauern.
Toto Belmont & Messer: neues Album „No Future Dubs“
Am 9.4. erscheint als Nachfolger des 2020er Albums „No Future Days“ eine Kollobaration mit dem finnischen Musiker Toto Belmont: „No Future Dubs“. Der langjährige Freund der Band hat den Songs des letzten Albums hier einen groovigen und schicken Dub-Anzug verpasst. Als erste Single kommt am 26.2. der Song „Versiegelter Dub II“ raus, zusammen mit dem Digital Only Bonustrack „Tapetenhof“. Seid gespannt auf das großartige Video dazu! Das Album ist eine Kooperation von Trocadero und Turnland, der Digital-Release kommt bei Trocadero, das Vinyl-Album bei Turnland.
Filmdoku „Durch den Spiegel kommst Du nicht“ jetzt auf Vimeo!
Der Film »Durch den Spiegel kommst du nicht« (0’58’’) zeigt die Post-Punk-Gruppe Messer im Dezember 2015: Zurückgezogen aufs Kulturgut Haus Nottbeck im Münsterland ist die Band mit den Aufnahmen zu ihrem dritten Studioalbum »Jalousie« (Trocadero, 2016) befasst. Zu sehen sind die fünf Musiker, wie sie sich mit Apparaten und Instrumenten, Verhandlungen und Verwerfungen, Ritualen und Experimenten distanzieren und annähern, um zu einem gemeinsamen Resultat zu finden. Filmemacher Manuel Gehrke beobachtet den Prozess und entwickelt dabei seine eigene Perspektive auf das Geschehen: Neben dialogischen Szenen lebt seine Kunstdoku von atmosphärischen Bildern, von Klängen und Rauschen sowie der Erzählerstimme von Sänger Hendrik Otremba.
Neues Video: Tod in Mexico
Zum Tourneestart am 13. März in Köln veröffentlichen Messer mit „Tod in Mexico“ den nächsten Song aus dem aktuellen Album „No Future Days.
No Future Days
Am Valentinstag 14. Februar erscheint das 4. Album der Band als CD im Digipak, Vinyl-LP, Download und Stream. (Album bestellen: https://bit.ly/2SEdcfr)
Und die Presse hat das Album auch bereits rezensiert, hier eine Auswahl:
„Zukunft und Vergangenheit, Prä-Artpop und Post-Punk. Messer zerschneiden das typische Postpunk-Muster und fügen in die Ritzen ziemlich schwingende Dub-Vibes ein. Durch die Tracks ziehen sich immer wieder Bilder von Häusern, Zimmern, Fenstern, Tapetentüren oder Kellerlöchern. In diesen hausen dann ziemlich verwinkelt und vertrackt die Geister von deutschen Bands wie Can, Palais Schaumburg oder die der frühen bzw. funkigen Die Sterne.” (Kerstin Kratochwill, Tonspion 11.2.20)
„Was einem auf dem vierten Album zuerst in die Ohren dringt, ist eine massive Ballung von Kälte-, Isolations- und Verfallsbeschreibungen. Leere allerorten, und eine Stimme, die sich gegen all das wehrt, indem sie es beschreibt. Messer spielen einen durchkomponierten Wave-Postpunk (…) der Punk-Traditionen aufruft (und im Titel nebenbei an ein altes Can-Album erinnert).“ (Benjamin Moldenhauer, Spiegel Online 13.2.2020)
„Wie kaum eine andere Gruppe haben Messer den Wirkungen der deutschsprachigen alternativen Popmusik ihren Stempel aufgedrückt, beim neuen Album gehen sie noch einen Schritt weiter. Zurück zum Beton geht´s, zum Neonlicht, aber irgendwie Verrückter, mehr Dub, mehr Reggae. Klar, immer noch Postpunk, aber mit anderen Mitteln. Musikalische Reduktion durch Genre – Expansion.“ (Dominik Oswald, The Gap 2/2020)
„Messer geistern auf ihrem vierten Album mit dubbig-tanzbarem Post-Punk durch symbolisch aufgeladene Orte in Richtung Erinnerung. No Future Days ist die Platte für eine vergangenheitsvergessene Gegenwart.“ (Sebastian Lessel, Spex 13.2.2020, Album der Woche)
„Die krautige Post-Punk-Band Messer arbeiten weiter am Abrissprojekt des deutschen Punk. Vergeblich wird man versuchen, die Band über ihre Referenzen zu dechiffrieren. Messer haben es geschafft, trotz realistischer Dichtung vergleichsweise weit entfernt von Schlüsselwerken zu sein.“ (Lars Fleischmann, taz 13.2.2020)
„Make Nihilismus great again: Der Postpunk aus Münster ist in seiner fortgeschrittenen Verfeinerungsphase angekommen.“ (Thomas Winkler, Musikexpress 3/20, 4 Sterne)
„Messer klingen insgesamt kompakter und grooveorientierter, entwickeln ihren sehr eigenen Postpunksound weiter, indem sie sich auf die Wendezeit zwischen den 1970er und 80er Jahren bezieht, und diesen Übergang für das musikalische Jetzt neu durchspielt.“ (Carsten Schrader, Kulturnews 3/20)
Neue Single „Der Mieter“ erscheint heute!
Erst vor einem Monat meldete sich die Gruppe Messer mit ihrer Reggae-inspirierten Single „Anorak“ zurück. Jetzt legt sie das zweite Stück aus dem im Februar erscheinenden Album „No Future Days“ vor. „Der Mieter“ bringt weitere neue Facetten zum Vorschein: die Bassline bewegt sich im Funk, die Gitarre schneidet selbstbewußt, Reminiszenzen an die Talking Heads und den John Cale der 80er klingen an. Das Resultat ist unverkennbar Messer, die nicht einfach auf Einflüsse verweisen, sondern mit diesen arbeiten.
»Anorak«, die A-Seite, zeigt eine neue Seite der Band, der dubbige Song setzt mehr denn je auf Groove, legt sogar ihre Reggae-Affinität offen, während die B-Seite mit »Die Furcht« eine andere, verschlossenere Facette aufzeigt und zugleich den immer schon präsenten Hang zu sphärischer, elektronischer Musik betont. Textlich erzählt »Anorak« von einer (fiktiven?) Begegnung, irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit, wohingegen »Die Furcht« viel konkreter wird, die unterschiedlichen Intensitäten des titelgebenden Zustands auslotet. Die neuen Klänge von Messer wirken dabei insgesamt ein Stück weit einladender, vielleicht, weil durch die zahlreichen Variationen der Zwischentönen eine größere Gefühlswelt entsteht, als man das von der 2010 gegründeten Gruppe bisher gewohnt war. Bei all dem bleibt der energetische Ausgangspunkt der Entwicklung erkennbar. “Was zunächst klingt, als lande da ein Raumschiff in einem alten Film, zeigt sich schnell als die neue Single der Gruppe Messer: ‘Anorak’ heißt der erste Vorbote auf das neue Album ’No Future Days’ Anfang 2020, und Messer finden in dem Stück, das von einer diffusen Begegnung zwischen Traum und Erinnerung erzählt, einen neuen Groove. Die B-Seite dann nimmt das Tempo raus, ‘Die Furcht’ skizziert in dubbigem Gewand verschiedene Dimensionen der Unsicherheit.“ – Hendrik Otremba